Kurz gesagt: Man sorgt dafür, dass der Laden läuft. Ich bewerbe die Veranstaltungen, kümmere mich darum, dass der Konzertort hergerichtet ist, die Bühne aufgebaut wird, dass Blumen da sind, dass die Abendkasse besetzt ist, dass genug Wechselgeld da ist. Ich schaue, dass die Technik einsatzbereit ist und baue dann alles nach den Konzerten wieder ab. Und ich kümmere mich um die Künstler und Künstlerinnen – und das ist der Part, der die meiste Freude macht.
Das geht damit los, dass ich die Künstler und Künstlerinnen vom Flughafen oder Bahnhof abhole, Brötchen schmiere, Getränke einkaufe oder eine Suppe koche und dafür sorge, dass sie sich gut bei uns fühlen. Manch einer möchte vielleicht noch an den Strand, dann organisiere ich das. Wenn Künstler privat untergebracht sind, kümmern sich auch die Gastgeber um sie.
Manchmal bekomme ich vorher seitenlange Listen, auf denen steht, wie groß die Bühne sein muss, was sie an Technik, Licht, Verpflegung, Garderobe benötigen. Daraus kann man ablesen, dass die Musiker wohl schon viele schlechte Erfahrungen gemacht haben. Wenn sie dann bei uns sind und die Kirche sehen und die besondere Atmosphäre spüren, dann fällt die Anspannung ab und dann reicht eben auch das selbstgemachte Catering, und sie fühlen sich hier willkommen.
Ziemlich zu Anfang musste ich eine Musikerin vom Hamburger Flughafen abholen. Ich bin mit einem geborgten Auto gefahren, kannte die Künstlerin nicht, hatte kein Navi. Auf der Rückfahrt hatte ich mich verfahren und bin falsch in eine Einbahnstraße eingebogen – und hinter mir kam die Polizei. Wir haben unseren ganzen Charme eingesetzt, um die Situation zu erklären und kamen noch pünktlich zum Konzert.
Ich freue mich auf die Musik und genieße die Konzerte – aber da kann natürlich auch immer etwas passieren. So wie vor drei Jahren beim Konzert eines Duos. Dem Geiger war beim Konzert am Abend zuvor eine Saite gerissen, er hat seine Ersatzsaite aufgezogen. Er spielte ein extrem virtuoses Stück und dann passierte es – die Saite war wieder gerissen. Er hat sehr cool reagiert und in den Saal gefragt: „Hat hier vielleicht jemand eine Geigensaite?“ Da rattert es natürlich im Kopf und man fragt sich – wo kriegst du nach 20 Uhr noch eine Saite her? Da fiel mir eine Sängerin aus dem Chor ein, deren Tochter Geige spielt. Wir haben sie angerufen, sie hat ihre Tochter gefragt und kam dann schließlich mit der Saite in die Kirche – und nach etwa 40 Minuten ging das Konzert weiter.
Nein, dann muss man improvisieren. Wie vor zwei Jahren, als ein Jazz-Konzert einen Tag vorher wegen einer Coronaerkrankung abgesagt wurde. Ich habe dann auf die Schnelle eine andere Band aus Berlin gefunden.
Nein, nach dem Musiksommer ist ja vor dem Musiksommer, und schon während der laufenden Saison beginnen die Vorbereitungen für die nächste. Da müssen Förderanträge gestellt werden, ich spreche mit unseren Kooperationspartnern und Sponsoren, versuche, neue Förderer zu finden. Man fragt Künstler für die kommende Saison an und macht Verträge. Dann muss das Programmheft zusammengestellt, Anzeigen eingeworben und Material für die Presse herausgeben werden. Und parallel dazu muss die vergangene Saison abgewickelt werden.
Die Verantwortung liegt beim Intendanten des Musiksommers, Christoph D. Minke. Aber es hat sich im Laufe der Jahre so entwickelt, dass wir den Spielplan zusammen planen. Dabei gibt es einige Fixpunkte. Der musikalische Rahmen – Eröffnung und Abschluss – wird in der Regel vom St. Laurentius-Kirchenchor gestaltet. Dann gibt es Kinderkonzerte, die Freitags-Orgel, die Dienstags-Konzerte – und da versuchen wir, einen guten Mix zu finden zwischen Solokonzerten und Ensembles, Klassik und anderen Genres. Und wir haben in den letzten Jahren neue Spielstätten für besondere Konzerte wie die Open-Air-Abende im Garten der Alten Apotheke oder Jazz in der Mebak-Werkhalle finden können.
Erstens ist der Spielplan viel umfangreicher geworden. Anfangs hatten wir etwa 20 Konzerte und jetzt sind es 40. Ich habe 2008 die Kinderkonzerte ins Leben gerufen. Der Anlass war die Sanierung unserer Winzer-Orgel, die wollten wir Kindern vorstellen. Das begann auf der Empore, aber wir haben schnell gemerkt, dass der Platz nicht reicht, und seitdem finden sie im Altarraum statt.
Ja, diese Konzerte sind kontinuierlich gewachsen, wir hatten zum Teil im Jahr 1.000 junge Gäste. Während der Corona-Pandemie hat sich das allerdings etwas verändert und wir versuchen jetzt wieder, an den Schulen und Kitas das Interesse zu wecken.
Neue Spielstätten sind hinzugekommen – weil wir uns mehr öffnen und neues Publikum gewinnen wollen. Also Menschen ansprechen, die nicht unbedingt in die Kirche zu klassischen Konzerten kommen würden. Und die einzelnen Konzerte sind umfangreicher geworden, es kommen zum Teil größere Ensembles zu uns.
Die wandelt sich permanent. Es kommen immer neue Besucher hinzu, andere bleiben weg aus den unterschiedlichsten Gründen. Aber die Corona-Zeit hat auch dazu beigetragen, dass sich die Struktur verändert hat. Früher gab es ein Stammpublikum, das kam dienstags und ließ sich überraschen. Heute kommen die Gäste zielgerichteter. Wir bieten jetzt ja auch mehr musikalische Facetten an, so dass sich jeder etwas nach seinem Geschmack aussuchen kann.
Nein, sie teilt sich nur anders auf. Unseren Höchststand hatten wir 2019 im Vor-Coronajahr mit 5.500 Besuchern erreicht, im vergangenen Jahr waren es 3.300.
Etwa zur Hälfte aus Mecklenburg-Vorpommern und zur Hälfte aus Schleswig-Holstein, das hat sich über die Jahrzehnte nicht groß verändert.
Wir haben inzwischen einen großen Stamm von Unternehmen und privaten Förderern, mit denen wir seit vielen Jahren kooperieren, wie zum Beispiel die Firma Palmberg Büroeinrichtungen & Service GmbH. Da ist eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit entstanden. Ich versuche natürlich, neue Partner zu gewinnen, aber das ist im Moment schwierig, weil die wirtschaftliche Situation für viele Unternehmen gerade nicht gut ist. Was die Gastronomie angeht, hat Schönberg sich allerdings zurückentwickelt. Wir sind früher oft nach den Konzerten noch mit den Künstlern essen gegangen – da gibt es jetzt leider nur noch eine Pizzeria. Auch für Besucher fehlt leider die Möglichkeit, vor den Konzerten noch essen zu gehen.
Erstens: eine gute Gastronomie für Schönberg. Zweitens würde ich mich freuen, wenn noch mehr Partner und Unternehmen beim Musiksommer andocken würden, das heißt, sich auf unterschiedliche Weise engagieren. Und es wäre wunderbarbar, wenn mehr Firmen im Gewerbegebiet den Schönberger Musiksommer für sich und ihre Mitarbeiter entdecken würden.
Wahrscheinlich ganz anders, als ich mir das jetzt vorstellen kann, aber das ist auch gut so. Wir erfinden ihn ja jedes Jahr neu, und ich hoffe, dass er sich weiterentwickelt, dass er in 25 Jahren noch Bestand hat und dass es Menschen gibt, die Lust haben, ihn zu gestalten und zu besuchen.
von Petra Haase
Ja, aber ich glaube, dass jüngere Menschen Musik wie Hiphop ohnehin erfahren, das muss man nicht fördern. Aber Klassik oder Jazz sind Musikrichtungen, die nicht jedem Kind vom Elternhaus mitgegeben werden, wozu sie keinen Zugang bekommen. Ich glaube aber, dass diese Musik relevant ist und dass es uns guttut, komplexer Musik zuzuhören. Gleichzeitig ist sie ein großer, wichtiger Bestandteil unserer Kultur. Deswegen suchen wir nach neuen Formen der Vermittlung.
In einem Netzwerk haben wir als Stiftung Musikfestivals aus Norddeutschland vereint, unter anderem den Schönberger Musiksommer. Dort werden Erfahrungen geteilt und man kann voneinander lernen. Oft sind Konzepte aber nicht eins zu eins übertragbar. Wenn ein Jazzclub in Hamburg viele Menschen anzieht, ist das vielleicht schlecht in Schönberg nachzumachen. Aber was wir festgestellt haben: Junge Menschen kommen oft nicht vor in der Werbung für klassische Musik. Man sieht oft Porträts von klassischen Komponisten oder den Dirigenten oder ein Orchester. Spricht das 20-Jährige an? Im vergangenen Jahr haben wir angefangen, um Fotos mit jungen Menschen zu bitten. Das wäre ein kleiner Hinweis für die nächste Marketingmaßnahme.
Naja, es muss schon authentisch sein. Vielleicht lädt man lieber junge Leute ein und lässt sich beraten, was sie ansprechen könnte. Oder welche Formate sie sich wünschen. Ist ein übliches klassisches Konzert vielleicht zu lang, braucht man kleinere Häppchen? Brauchen wir eine Einführung vorher und wie muss sie aussehen, damit sie nicht belehrend daherkommt? Muss man stillsitzen in einem Konzert? Diese Fragen werden im Netzwerk beraten.
Da gibt es kein Patentrezept, man kann nur immer wieder Neues probieren. In einer Brennpunktschule in Bremen etwa hat die Kammerphilharmonie einen Konzertsaal eingerichtet, dort proben sie. In dem Maße, wie Musik in dieser Schule dadurch normal wird und zum Alltag gehört, wird sie auch mehr von den Schülern angenommen. In der Schule sind viele Instrumente vorhanden, mit denen sie jederzeit selbst musizieren können. Das ist umso wichtiger, weil der Musikunterricht ja inzwischen in sehr vielen Klassen ausfällt.
Da ist es gut, sich andere Verbündete zu suchen. Oder auch andere Orte mit Coolnessfaktor. Das Ensemble Resonanz etwa hat in Hamburg mit seinem Resonanzraum im Bunker eine Location in der Umgebung von coolen Clubs. Das ist nicht der typische Konzertraum, sondern eine Mischung aus Bar und Club. Es ist wichtig, dass junge Menschen den Raum annehmen, sich wohl fühlen, vielleicht auch ein Selfie machen. So hat das Ensemble Resonanz es geschafft, ein relativ junges Publikum anzulocken, ohne sich anzubiedern. Sie haben zum Beispiel das Weihnachtsoratorium in Minibesetzung gespielt. So erfolgreich, dass sie jetzt aus ihrem Raum in die Elbphilharmonie gehen.
Es ist ja oft schwer, größeren Kindern, Enkeln, Nichten, Neffen etwas zu schenken. Warum also nicht Konzertkarten für gemeinsame Konzertbesuche? Aber dann sollten die Älteren auch die Offenheit mitbringen und sagen: Vorher höre ich mir auch eine Stunde lang an, was du toll findest oder komme mit dir zu einem Konzert deiner Wahl und zahle die Karte. Es ist eine Einladung zum Austausch. Lasst uns über Musik reden! Teilt eure Begeisterung!
Wir als Stiftungsmitarbeitende sind ja auch begeistertes Publikum. Wir haben eine Kompetenz, weil uns klassische Musik so wichtig ist. Und warum sollen wir nicht unsere private Passion in unseren Beruf einbringen und nicht Sparringpartner sein? Wir suchen zusammen mit unseren Partnerinnen und Partnern nach Verbindungen zwischen klassischer Kultur und der aktuellen Lebenswelt von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, um sie neu als Publikum zu gewinnen. Auf diese Weise wird die Beschäftigung mit klassischer Kultur in Norddeutschland zu etwas Alltäglichem und Kultur wieder zu dem, was sie schon immer gewesen ist: ein wichtiger Impulsgeber unserer Gesellschaft. Dabei sind wir in den vergangenen Jahren fordernder geworden und erwarten, dass die Festivals, die wir unterstützen, etwas für die junge Zielgruppe tun, sich etwas einfallen lassen.
Ja, es ist gut, immer wieder etwas Neues anzubieten. Dabei ist Scheitern natürlich erlaubt. Und wenn das eine Konzept nicht aufgeht, sind wir auch bereit, nachzulegen, um etwas anderes auszuprobieren oder das Konzept abzuwandeln, Erfahrungen zu sammeln und das Angebot neu nach den Bedürfnissen der Jugendlichen auszurichten.
Dann besteht die Gefahr, dass diese Musik einen Sonderstatus bekommt wie Obertonmusik oder Madrigale. Es wäre sehr bedauerlich, wenn es irgendwann eine Generation gibt, die in kein Sinfoniekonzert, keine Oper, kein Jazzkonzert mehr geht.
Ja, deutlich. Dabei geht es nicht nur um das Konsumieren der klassischen Kultur, sondern auch um das Musizieren, Komponieren, Dirigieren. Aber wir können natürlich nicht erwarten, dass junge Menschen heute komponieren wie Mozart. Das ist dann anders, und auch dafür wollen wir werben. Einerseits ist es ein großes Erbe, das es zu bewahren gilt, aber auch lebendig zu halten gilt. Das heißt auch, es in neue Formen zu überführen. Wichtig ist es, die Tradition relevant zu halten, vielleicht verändert sie sich dadurch auch.
Musik hat ja das Verbindende und Versöhnende, Tröstende. Vielleicht ist diese Musik gerade jetzt wichtig. Um sich verbunden zu fühlen. Und auch mal nachzudenken, wie war es denn damals, als Bach diese Musik komponiert hat. Wie sah die Welt damals aus? Der Blick in die Vergangenheit kann ja auch manchmal erhellend sein, um gestärkt nach vorne zu schauen. Wir sehen Kultur auch als identitätsstiftend und gemeinschaftsbildend. Und das braucht es mehr denn je. Also: herzlichen Dank allen Beteiligten, dass Sie den Schönberger Musiksommer auf die Beine stellen und das Publikum inspirieren!
von Petra Haase
es ist mir eine besondere Freude für den 38. Schönberger Musiksommer die Schirmherrschaft zu übernehmen.
Auch in diesem Jahr erwartet Sie wieder ein fantastisches Programm mit gewiss unvergesslichen Musikmomenten. Freuen Sie sich in dieser Saison unter anderem auf englische Chor- und Streichermusik, einen musikalischen Krimi, das Freitagsorgeln, Swing und Jazz sowie zahlreichen Möglichkeiten zum Mitsingen und Tanzen.
Ganz besonders möchte ich den Organisatoren des Schönberger Musiksommers, nämlich den Mitgliedern des Schönberger Musik und Kunst e.V., für ihr Engagement danken. Es gelingt ihnen immer wieder, Gäste und natürlich die Musikerinnen und Musiker aus nah und fern hier her in das bezaubernde Schönberg zu locken. Hier treffen sich Menschen aus unterschiedlichen Regionen mit ganz unterschiedlichen Künsten. Gemeinsam arbeiten und musizieren Sie zusammen, um den Schönberger Musiksommer zu einem Erlebnis für alle zu machen. Sie bereichern mit ihrem musikalischen Feuerwerk die gesamte Region. Dieses Engagement unterstütze ich von ganzem Herzen!
Ich wünsche Ihnen eindrucksvolle Konzerterlebnisse und vielfältige Begegnungen mit nationalen und internationalen Musizierenden und Kunstschaffenden. Genießen Sie den unverwechselbaren Schönberger Musiksommer!
Birgit Hesse
Präsidentin des Landtages Mecklenburg-Vorpommern
Das Netzwerk der Norddeutschen Musikfestivals, das die Nordmetall Stiftung Hamburg ins Leben gerufen hat und maßgeblich unterstützt, hat ein neues Logo. Die Initiative vereint eine Vielzahl von Festivals, die sich dem Ziel verschrieben haben, jungen Menschen im Alter von 14 bis 27 Jahren ein breites Spektrum musikalischer Erlebnisse zu bieten, während gleichzeitig Wert auf Diversität, Inklusion und die Einbindung konzertunerfahrener Gruppen gelegt wird.
Zu den beteiligten Festivals gehören namhafte Veranstalter wie das feel.jazz Festival, die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern, das Frequenz Festival, die Gezeitenkonzerte, Jazz Baltica, das Kammermusikfest Sylt, das Musikfest Bremen, das NORDLIED-Festival, die Orgelspiele Mecklenburg-Vorpommern, das Schleswig-Holstein Musik Festival, der Schönberger Musiksommer, das Sea Sounds Festival, die Stadtteiloper als Zukunftslabor der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, das Urban String Open Air des Ensembles Resonanz sowie das Usedomer Musikfestival.
Das Norddeutsche Musikfestivals-Netzwerk setzt sich dafür ein, Musik für ein junges und breites Publikum zugänglich zu machen und gleichzeitig einen Raum für künstlerische Vielfalt und Innovation zu schaffen. Die Veröffentlichung des neuen Logos markiert einen weiteren Schritt auf diesem Weg und unterstreicht die gemeinsame Vision der beteiligten Festivals.
Der Schönberger Musiksommer ist dieses Jahr mit seiner Veranstaltungsreihe VOICE YOURSELF dabei.
Impresssionen siehe: @reihe_15
Es gibt Orte, in die sich Geschichte eingeschrieben hat. Manchmal sind noch Bruchstücke dieser Geschichte zu erkennen. Sie begegnen uns in Form von Mauerresten, Spuren von Architektur, in Reihe gepflanzten Bäumen, Metall und Beton mitten im Wald. Oft können wir diese Spuren nur noch mit Hilfe lesen.
ORTSZEIT ist eine Projektreihe. Sie bringt Kunst an Orte junger, fast vergessener Geschichte. Wir hoffen, die Spuren wieder sichtbarer zu machen. Vielleicht ermöglichen wir Gespräche über das Vergangene.
Wahrheitsfindung und Versöhnung: Ein Kunstprojekt mit geschichtswissenschaftlicher Begleitung arbeitet sich an vergessenen Orten und verborgenen Spuren der Erinnerung ab. Dabei loten Künstler·innen aus verschiedenen Ländern die Möglichkeiten der Kunst aus.
Annette Czerny (Künstlerin und Kuratorin), Projektleitung ORTSZEIT
zeitlupe | Geschichtswerkstatt der RAA | Demokratie und Bildung Mecklenburg-Vorpommern e. V.
Annette Czerny (Projektleitung · Kuration · Konzept)
0157 887 757 64 | 03881 759 56 47 | kontakt@ortszeiten.eu
Von KMD Christoph D. Minke - Intendant des Schönberger Musiksommers
Wie wir soeben erfuhren, verstarb in der vergangenen Nacht der bedeutende Kirchenmusiker, Komponist und „Organistenmacher“ Manfred Schlenker. Nicht nur durch das Lehrer-Schüler-Verhältnis mit KMD Christoph D. Minke war er mit Schönberg verbunden, sondern mit seiner Musik in Konzerten und Gottesdiensten stets präsent – wie in unzähligen Kirchen und Gemeinden. Als besonders einprägsam erinnern wir die Aufführung seines Oratoriums „Epitaph für Stephanus“ 2016, bei der er gemeinsam mit seiner erst im Januar verstorbenen geliebten Frau Ursula anwesend gewesen war.
https://de.wikipedia.org/wiki/Manfred_Schlenker_(Komponist)
Von 1982 bis 1987 war ich als Student der Kirchenmusikschule Greifswald Schüler von LKMD Manfred Schlenker. Bereits von 1978 an hatte ich durch das Kirchenmusikstudium meiner älteren Schwester Kontakt zur damaligen Kirchenmusikschule. Die Eindrücke waren so bestimmend, dass ich den gleichen Weg zu beschreiten willens war und nicht mehr davon abzubringen.
Also muss das Wirken von Manfred Schlenker schon damals für mich mehr gewesen sein, als nur die Erfüllung seiner vielfältigen offiziellen Aufgaben. Prägend war für mich, dass bei aller hohen Kunst, um die es nun einmal geht in einem Studium der Musica Sacra, auch die „erdigen“ Themen zu ihrem Recht kamen.
War unter den Bedingungen der damaligen Mangelwirtschaft in den Zimmern der Studierenden etwas zu reparieren, war sich der Direktor nicht zu schade, auch selbst einmal den „Blaumann“ überzuziehen. Dahinter steht einerseits eine pragmatische Geisteshaltung, gepaart mit großer Demut, das Wissen: auch die eiwandfrei funktionierende Sanitäreinrichtung gehört ggf. zur Verkündigung. In dem der „Chef“ so zuweilen den Studentinnen und Studenten diente, machte er vor, wie es für die zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sein würde: Anpacken, wo es nötig ist, eine Richtung haben, d.h. wissen, WOFÜR es letztendlich nötig ist, zum Dienen bereit sein auch auf ungewöhnliche Weise, und keinesfalls vom hohen Ross her und auf das rein Fachliche begrenzt.
Dies zeichnete auch den kollegialen Umgang mit anderen Kirchenmusikern wie auch Kolleginnen und Kollegen aus dem säkularen Bereich aus. Die Achtung, die Manfred Schlenker einer Kollegin zollte, rührte nicht von der Prominenz ihrer Stelle her, sondern vom Einsatz unter den ganz spezifischen Bedingungen, für die M.S. stets ein gutes Einfühlungsvermögen besaß. In eine solche Art Wertschätzung sind natürlich auch alle anderen Menschen inbegriffen, egal welchen Berufes oder „Standes“.
Die Güter der hohen Kirchenmusik für jede Gemeinde nutzbar oder erlebbar zu machen, sollte nie an den vielleicht nur begrenzten Möglichkeiten vor Ort scheitern. Wege daraus zeigte Manfred Schlenker nicht nur während seiner Zeit als Ausbilder auf, sondern er blieb bis zuletzt als Komponist tiefgründiger und gleichzeitig praktikabler Musik diesem Anliegen treu. Er bleibt darin ein Vorbild, dessen Wirkung man sich nicht entziehen kann.
Die besondere Weite seiner Ansichten wurde in der Auswahl dessen deutlich, was er als Ausbilder an Musik nahebrachte: klassische Moderne und zeitgenössische Musik war stets auf dem Programm, und uns begeisterte gerade das! Unreflektiertes Rezipieren überkommener Repertoire-Stücke war nie seine Sache. Wir haben gelernt: es muss aktuell sein, was künstlerisch geschieht.
So gehörte M.S. auch zu den ersten, die sich im damaligen Osten um die historisch-informierte Interpretationsweise ältere Stücke bemühte. Der Ansatz war aber ein moderner, eben gerade nicht eine Musealität. Es ging darum, im Bekannten Ungehörtes freizulegen.
Auf der anderen Seite ging es auch um unbedingte Einsatzbereitschaft für die Sache. Manfred Schlenker wusste, wie wichtig eine Zurüstung für Menschen in künstlerischen Berufen ist. Ihnen wird nichts geschenkt. Nach Erarbeiten, Erlernen bzw. irgendwie anders bewerkstelligten Gewinn einer Haltung gilt es, für diese unerschrocken einzutreten. Wir durften so lernen und erfahren, wie Respekt richtig verstanden wird, denn nicht der Rang eines Menschen in einer Hierarchie allein ist respektwürdig. Wir lernten, genau hinzusehen und hinzuhören und ggf. auch Widerstand zu leisten. Für uns Studierende war immer erstaunlich – und wir bewundern dies bis heute – dass er beim Einfordern von notwendigem Widerstand als Ziel ggf. seine eigene Position und Person nicht ausnahm. Dieser Gerechtigkeitssinn ist äußerst ungewöhnlich!
Menschen wie Manfred Schlenker sind etwas ganz Besonderes und ein großer Schatz für unsere Gesellschaft. Unzählige Menschen profitierten von seinem Wirken in Vergangenheit und Gegenwart. Dies wird so bleiben.
Seiner Familie drücken wir hiermit unser Mitgefühl aus und unsere große Dankbarkeit. Dass Manfred Schlenker nun zur Ruhe gekommen sein soll, erscheint für alle, die ihn kannten, nahezu unvorstellbar. Doch in Gott ruhen heißt ja auch, dass nichts und keine Energie verloren geht.
Ruhe in Frieden!
Bitte informieren Sie sich rechtzeitig ob die jeweilige Veranstaltung stattfindet. Alle Informationen zu aktuellen Hygiene-Regeln entnehmen Sie bitte den amtlichen Mitteilungen des Landkreises Nordwestmecklenburg.